Das Kind als Gast im Restaurant
Wer schon mal als Servicekraft im Restaurant gearbeitet hat, weiß, wie anstrengend und auch teilweise nervenaufreibend Kinder sein können. Sie flitzen einem ständig zwischen den Beinen herum, während man fünfunddreißig Teller möglichst elegant durch’s Restaurant zu manövrieren versucht. Sie machen einen derartigen Lärm, so dass man die zehntausend Bestellungen, die einem im Vorbeigehen zugerufen werden, vergisst, da man soeben einen Gehörsturz erlitten hat. Sie verwandeln den von mir liebevoll dekorierten Tisch in ein Schlachtfeld, welches ich innerhalb von minus 5 Minuten wieder beseitigen muss, da die nächsten Gäste bereits an diesem Tisch sitzen, obwohl noch mindestens drei andere Tische frei gewesen wären.
Kurz – sie haben einfach kein Benehmen. Dies trifft natürlich nicht auf alle Kinder zu, aber auf die meisten.
Aber gut, wie verhält man sich den Kindern gegenüber?
Ignorieren, anschreien, Betäubungsmittel in die Kindercola geben? Die letzte Möglichkeit finde ich persönlich ja sehr reizvoll, allerdings muss man auch bedenken, dass diese kleinen Quälgeister eines Tages die Gäste von morgen sein werden, um uns dann mit ihren Schikanierungen den Arbeitsplatz aufrecht zu erhalten.
Das bedeutet, dass wir als Servicepersonal, trotz unseren inneren Wunsches, die Kinder im Keller zu fesseln und auf 100 Jahre Hausarrest zu verdammen, freundlich und zuvorkommend zu ihnen sein müssen. Und das am besten schon beim Eintreten der Gäste ins Restaurant. So ist es empfehlenswert, nicht nur die begleitenden erwachsenen Personen zu begrüßen, sondern auch explizit die Kinder selbst. Man braucht sich nicht unbedingt vor ihnen (den Kindern) auf die Knie zu begeben. Aber man sollte sich schon ein wenig runterbeugen und die Kinder natürlich auch mit einem Lächeln begrüßen. Selbst dann, wenn einem die Tränen bereits in den Augen stehen.
Beim Reichen der Karten sollte man dem Kind – falls vorhanden – eine Kinderkarte reichen und ansonsten auf die angebotenen Kindergerichte hinweisen.
Bei der Getränkebestellung wäre es sinnvoll, dem Kind, je nach Alter entsprechend, ein kleines Kinderglas anzubieten. Das geschieht natürlich aus reinem Selbstschutz, denn ein kleineres Glas bedeutet weniger Inhalt. Und das bedeutet wiederum, dass meine frisch gewaschene Kellnerweste nicht allzu nass und klebrig wird und demnach schneller trocknet. Natürlich ist dem Kind das Glas unbeabsichtigt in meine Richtung ausgerutscht. Und Lachen tut es auch nur vor Verlegenheit und Charme. Und da ich ja Mitleid habe, bringe ich selbstverständlich ein neues Glas, auf dass sich das „Missgeschick“ wiederholt.
Wer denkt, in unserem Restaurant wartet man nicht lange auf sein Essen, der weiß nicht, wie lange zehn Minuten sein können. Man hat zwar noch mindestens hundert andere Sachen zu tun, aber da das Kind es ja nicht anders gewohnt ist, verlangt es 150% Aufmerksamkeit. Das Restaurant ist ja auch nur voll belegt und deswegen macht es mir ja auch gar nichts aus, wenn mir das Kind zwischen den Beinen rumhoppelt und mir dumme Fragen stellt, während die Eltern sich amüsieren und vergessen zu haben scheinen, dass es ihr Kind ist, welches gerade an meinem Bein klebt. Neben der Möglichkeit also, das Kind an den Araber am nächsten Tisch zu verkaufen, bringe ich lieber Papier und Stifte an den Tisch, damit das Kind die ganze Tischdecke zumalen kann. Na ja, Hauptsache, es ist beschäftigt.
Nun ist es endlich soweit, die Trompeten für die eigentliche Schlacht ertönen. Das Essen wird an den Tisch gebracht. Nach Möglichkeit der Kinderteller als erstes. Zusätzlich sollte man dem Kind Kinderbesteck reichen, da das übliche Tafelbesteck zu schwer und zu gefährlich sein könnte. Dies dient natürlich wieder einmal zum reinen Selbstschutz, da ich mich schon mit einer Gabel im Kopf oder einem Messer im Rücken sehe. Bei kleinerem Besteck ist da vielleicht noch etwas zu retten.
Nachdem die Schlacht vorbei ist und die Teller abgeräumt werden dürfen, glaubt man als naive Servicekraft, man hätte einige Minuten für eine kleine Zwischenmahlzeit, nachdem man den Gästen diese lecker duftenden Gerichte den ganzen Tag an den Tisch gebracht hat. Aber wo denken wir denn da hin? Kellner sind doch keine Menschen, oder? Seid wann brauchen die denn Nahrung? Nein, es wird sich erst mit dem Kind beschäftigt, da die Aussicht schwindet, von den anderen Tischen Trinkgeld zu bekommen, solange das Kind unter deren Tischen hockt, und grinsend die Schnürsenkel zusammenbindet. Ist das wieder ein lustiger Abend.
Einige Restaurants bieten eine Kinderecke an, in der man die Kinder endlich loswerden kann. Ist das nicht der Fall, so muss man sich selber etwas ausdenken. So besteht noch ein Funke Hoffnung, dass man mit dem Kind das Kriegsbeil begraben kann, wenn man es in der Küche rumführt und es dem Küchenchef vorstellt. Komischerweise sind die Kinder danach immer wie ausgewechselt, ruhig und brav und machen keinen Mucks mehr.
Wenn die Gäste dann endlich zahlen wollen, beteuert man aus unerklärlichen Gründen immer wieder, was für ein reizendes Kind sie doch haben und wie aufgeweckt es doch ist. Diese Gäste wiederum bedanken sich für die nette Fürsorge um das Kind und bestellen direkt einen Tisch für die nächste Woche, in der sie dann nicht nur ihr Kind, sondern auch die beiden Patenkinder mitnehmen werden.
Mir wird auf einmal ganz schlecht. Ich glaub, ich werd‘ krank.
Geschrieben und eingesandt von Melanie Putzer.
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